In den Weinbergen Lavendel anbauen. Gut versteckt im Sulmtal-Sausal liegt die größte Bio-Lavendelanbaufläche Österreichs. Ab Juni haben in der steirischen Provence die Blüten ihren großen Auftritt. Ihr verführerischer Duft weht durch die Weinberge und lässt nicht nur die Schmetterlinge vor Freude tanzen.
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Größte Lavendelfelder Österreichs
Am Morgen hängt noch der Nebel über dem Feld. Niemand erahnt, welch bunter Schatz sich unter ihm verbirgt. Sobald die Sonne mit ihren ersten Strahlen die Reben wach kitzelt, zieht sich der graue Schleier gleich einem Gentleman zurück und gibt den Blick frei auf die liebliche Landschaft im südsteirischen Sulmtal-Sausal. Saftige Wälder und Wiesen schmiegen sichin zarten Wellen an die Hügel, während sich die Rosenköpfchen noch müde an die Hausmauer des alten Bergmeisterhauses lehnen. Mit 564 Meter Seehöhe ist das kleine Örtchen Kitzeck der höchst gelegene Weinort innerhalb der Europäischen Union. Naturfreunde und Weinliebhaber rechnen hier mit vielen Genüssen. Jedoch nicht mit den endlos langen Reihen von Lavendel, die plötzlich hinter der Kurve auftauchen und sofort mediterrane Urlaubsgefühle auslösen.

Lavendelparadies Wunsum
Angebaut wird das lilafarbene Blütenmeer, das sich auf rund zwei Hektar Fläche ausbreitet, vom Biohof Wunsum. Der Name Wunsum geht auf den Salzburger Bischof Wunso zurück, der oberhalb der Lavendelfelder im 16. Jahrhundert ein Bergmeisterhaus gründete.Einst wurden auf den sanften Hängen Messweine hergestellt. Im Laufe der Zeit wurde daraus eine für die Gegend typische Landwirtschaft.
Vor einigen Jahrzehnten nahm sich Familie Heigl dem Anwesen an und gab dem geschichtsträchtigen Hof eine neue Bestimmung. Rechtzeitig zum Beitritt in die Europäische Union wurde auf ein nachhaltiges Bewirtschaftungskonzept umgestellt und zwei Jahre später mit dem Bio-Kräuteranbau begonnen. „Über die Kräuter sind wir dann beim Lavendel gelandet“, erzählt Theresia Heigl-Tötsch vom Biohof Wunsum. Die Familie suchte damals nach einem tragfähigen Produkt, das sowohl zum Boden als auch zur Landwirtschaft passte. Lavendel war die logische Konsequenz.

Lavendel anbauen in Höhenlagen
„Die Pflanzen mögen viele Sonnenstunden und die Höhenlage“, erklärt Heigl-Tötsch. Eigentlich gute Voraussetzungen. Doch so einfach war es nicht. Bevor es mit dem Lavendel klappte, musste die Familie viel ausprobieren und Lehrgeld zahlen. „Damit es klappt, sind Klima und Boden entscheidend.“ Als Mittelmeerpflanze magechter Lavendel keine Nässe. Bei Regen leidet er. Hingegen den kalkigen, trockenen Boden im Sulmtal-Sausal schätzt der Lavendel. Damit es ihm in der Steiermark richtig gut geht, müssen die Felder per Hand gejätet werden. Mehrere Hundert Arbeitsstunden gehen dafür drauf. Doch die Mühe lohnt sich.
Bewusst nachhaltig
Gedüngt wird der Lavendel am Biohof Wunsum nicht. Zum Mulchen wird nur der Rasenschnitt verwendet und alle zwei Jahre wird der Boden gekalkt. Ansonsten der Lavendel wenig Pflege. Ab Juni zeigt er seine Blüten und zaubert bunte Streifen auf die Felder. Dann bleiben die Menschen staunend am Straßenrand stehen, während die Bienen und Schmetterlinge aufgeregt von Blüte zu Blüte fliegen. Dieser Effekt ist bewusst gewünscht. „Ich möchte eine Landwirtschaft betreiben, die naturnah ist und sich positiv auf die Umgebung auswirkt“, sagt Heigl-Tötsch.
Auf lange Transportwege wird verzichtet, der Lavendel gleich direkt am Hof verarbeitet. Daraus ergibt sich ein bestmöglicher grüner Abdruck. Die Lavendelblüten werden zu Tee, Likör, Sirup, Salz- und Gewürzmischungen, Seifen, Marmeladen, Lavendelessig veredelt. Ätherisches Lavendelöl, Eau de Lavande oder Lavendel zum Selbstverarbeiten kann man im Hofladen oder über den Webshop kaufen. Zusätzlich wird in der hauseigenen Brennerei Bio-Obst zu Hochprozentigem verarbeitet.
Beste Erntezeit für den Lavendel
Die Vollblüte der meisten Lavendelsorten setzt Mitte Juli ein. Dann werden die Blüten mittags an einem sonnigen Tag geerntet und auf dem warmen, luftigen Dachboden getrocknet. Bei der Ernte wird der Lavendel rund zehn Zentimeter unterhalb seiner Blüten abgeschnitten. Danachwird der Lavendel gerebelt, zerkleinert und gesiebt. Pro Saison werden so rund 200 Kilo reine Blüten gewonnen. Dunkel, luftig und trocken gelagert, halten die Blüten zwei bis drei Jahre.

Lavdendelsorten für den alpenländischen Raum
Obwohl es im Schaugarten rund um den alten Hof zwölf verschiedene Lavendelsorten zu sehen gibt, liegt der Schwerpunkt bei der Verarbeitung ausschließlich auf drei Sorten: Lavandin, der echte Lavendel und Hidcote Blue.
Lavandin oder Lavandula intermedia grosso ist jener Lavendel, den die meisten aus der Provence kennen. Allerdings ist das kein echter Lavendel, sondern ein Mischling aus Speik-Lavendel und echtem Lavendel. Die Hybrid-Pflanze zeichnet vor allem durch ihren intensiven Geruch aus. Deshalb wird sie für Duftsäckchen verwendet.
Aus dem echten Lavendel, der Lavandula angustifolia, wird am Biohof Wunsum das ätherische Öl gewonnen. Aber auch in der Küche kann dieser Lavendel verwendet werden, zum Beispiel für Lavendelbrot, sommerlichen Kuchen oder als Lavendelsalz für Fisch und Huhn.
Für Deko-Zwecke eignet sich die Sorte Lavandula angustifolia Hidcote Blue, weil ihre Blüten im dunklen Blau erstrahlen. Allerdings nur, wenn er zum Trocknen nicht in die Sonne gelegt wird, dadurch verblasst die Farbe. Für Hobbygärtner interessant: Hidcote Blue ist ein pflegeleichter Bodendecker, der sogar im Kübel wächst. Alle drei Sorten haben sich am Biohof Wunsum bewährt. Sie sind mehrjährig, frosthart und brauchen im Winter nur mit ein wenig Stroh, Laub oder Reisig bedeckt werden.
Vielfalt der Natur: Lavendel anbauen einfach gemacht
Es gibt über 30 unterschiedliche Lavendelsorten, mit zahlreichen Untersorten, Kreuzungen, Größen und Blütenfarben. Im Garten wird neben dem echten Lavendel und Lavandin gerne der Speiklavendel verwendet. Für den Balkon oder die Terrasse sind der farnblättrige Lavendel und der wollige Lavendel zu empfehlen. Der Schopflavendel, auch Schmetterlingslavendel genannt, sieht durch seine wilde Optik schön aus, ist aber nicht winterhart. Wer lange Freude und wenig Arbeit mit seinem Lavendel haben möchte, sollte bereits beim Kauf auf die Auswahl der Sorte achten.
„Mich fasziniert die Vielschichtigkeit von Lavendel– angefangen vom Aroma über ihre Schönheit und medizinische Qualitäten bis hin zum Einsatz in der Küche“, verrät Lavendelfrau Heigl-Tötsch. Selbst die Geschichte des Lavendels sei interessant. Die Spuren dieser uralten Kulturpflanze lassen sich nämlich bis ins frühe Ägypten zurück verfolgen.
Ursprünglich gab es in der Natur nur drei wild wachsende Lavendelarten: den echten Lavendel, den Speiklavendel und den Schopflavendel. Daraus entwickelten sich die unterschiedlichen Sorten. Die Blütenfarbe reicht von weiß über Rosa bis hin zu einem geheimnisvollen Dunkelblau.
Die immergrünen Pflanzen können mit ein bisschen Zuwendung bis zu 20 Jahre alt werden. Das Lavendelmeer in der Steiermark kann demnach noch oft erblühen. Das freut auch die Winzer. Denn der Lavendel passt nicht nur optisch zu den Trauben, sondern hält auch das Ungeziefer von den Reben fern.
Größte Lavendelfelder Österreichs erleben
Der Hofladen am Biohof Wunsum (zertifiziert nach Bio Ernte Austria) hat von bis Ende Oktober jeden Dienstag und Mittwoch von 9 bis 12 Uhr, Samstag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Einmal im Jahr laden Wunsum und die Winzer aus Kitzeck zu einem zweitägigen Lavendelfest. Führungen gibt es auf Voranmeldung. www.wunsum.com, www.sulmtal-sausal.at
Text & Fotos: Anita Arneitz
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